Wir sind Montag morgen um kurz nach fünf hier in Bonn gestartet um den frühen Flug von Köln nach London Stansted zu erreichen. Ein Seminar war angesagt. Chalk Paints von Annie Sloan. Vor einiger Zei als interessant empfunden und kurzentschlossen in das internationele Netzwerk eingetreten. Grundbedingung: einen workshop in Oxford mit Annie besuchen. „Was will die mir schon noch erklären?“, dachte ich nur – aber ok, ich war noch nie wirklich in England und vielleicht ist das ja mal ganz interessant. Fee konte mich zum Glück begleiten, was mir sehr recht war, als ich dann den Hinweg ausgewählt hatte: einen günstigen Flug und dann 150 km Linksverkehr.
Aber erst mal einchecken. Sitzplätze bei Ryan Air vorgebucht, soweit alles ok. Aber dann kam unser Sitznachbar: ein völlig betrunkener junger Engländer (und man bedenke, es war 6 Uhr morgens!), der durch den Gang torkelte und nur mit Hilfe des Stewards seinen Platz, aus- gerechnet neben mir, gefunden hat. Als erstes fragte er mich ziemlich aufgebracht, was ich denn für ein Buch lesen würde. Ich wollte ihm jetzt nicht erzählen, daß ich mir von wegen der Einstimmung auf Oxford einen englischen Liebesroman à la Rosamunde runtergeladen hatte, der dort vor Ort spielt. Und als ich wahrheitsgemäß meinte „Nothing for you“ wurde er schon ganz schön ärgerlich. Und ich hatte die ganze Zeit nur schreckliche Angst, dass er mir meine einzige mitgenommene Hose vollkotzt. Zum Glück schlief er, trotz der ständigen Proteste des Bordpersonals und vorerst lauten Grölens in mehr oder weniger Einklang mit seinen Kopfhörern, den schweren Kopf auf seinem Tischchen abgelegt, irgendwann ein. Als er nach der Landung den Weg zur Passkontrolle entlang schwankte sahen wir nur noch, dass er zwei verschiedene Schuhe anhatte. Danach ward er nicht mehr gesehen …
Und dann wurde es richtig spannend. Ab zum Rental Car Village, unseren gebuchten Fiat 500 abholen. Der nette Herr bei Sixt sagte uns, unser reservierter Wagen wäre vergeben, wir würden ein kostenloses Upgrade auf einen Größeren bekommen – der stände auf Platz Nr. 20. Wir suchen Platz Nr. 20 und finden dort einen riesigen rot/orangen Pick up Jeep. Wir waren total begeistert! Aber nur solange bis wir feststellten, daß der Schlüssel nicht passte und wir dann nach längerem Suchen auf Platz Nr. 7 einen wenig attraktiven silbernen Skoda … keine Ahung was… fanden, der scheinbar zu unserem Schlüssel passte. Na ja, egal. Würde sich kein Mensch kaufen, aber ist ja nur ein Leihwagen.
Nach 10 Minuen hätte ich mir so sehr den großen (furchteinflößemden) Pick up gewünscht, denn schon beim ersten, direkt nach der Ausfahrt, kommenden Kreisel, in strömendem Regen wurde der blöde Skoda (oder lag es an der Fahrerin?) gnadenlos zusammen gehupt, weil er sich nicht richtig in den mehrspurigen, linksdrehenden Kreisel eingeordnet hatte! Von der englischen Höflichkeit nichts zu spüren, da waren wohl eher Verwandte von meinem Fluggenossen unterwegs.
Ein bisschen außer Atem und ziemlich nassgeschwitzt (ich), haben wir dann dank Fees guter Navigation die richtige Autobahn erreicht und ich war nach Staus, Regen und reichlich nah an mich heran kommenden linken Leitplanken, Autos o.ä. ziemlich froh, dass wir nach 2 Std heil in Oxford City angekommen waren, ohne einen der zahlreichen Fahrradfahrer umgemöbelt zu haben.
Der Montag war ohne Programm und so haben wir uns an unserem einizigen freiem Tag das wunderschöne Oxford angeschaut und waren begeistert über diese fast unwirkliche Kulisse der hübschen Häuser, eindrucksvollen Colleges, historischen Gebäuden und den farbenfohesten Haustüren, die ich je gesehen habe. Tolles Türkis, Rot, Blau in kräftigen Tönen findet man dort überall. Ob man damit das oft schlechte Wetter wett machen will? Ich weiß es nicht. Aber selten habe ich in einem nordeuropäischem Lan so viel schöne, bunte Farben gesehen wie in England.
Wir haben eine Harry Potter Filmkulisse in der Bodlian Librabry angeschaut, in den Covert Markets leckere Pasteten und Cookies gegessen und uns über die vielen, in Anzug und Kravatte aufgetakelten Stundenten amüsiert und dabei festgestellt, dass der junge Engländer einfach nicht zu dem hübschesten Menschenschlag zählt, aber dafür großartig ist in lautem, peinlichem und trunkenem Entertainment. Na ja, mag verallgemeinert sein und jeder nette, seriöse und abstinente Engländer verzeihe mir, nur haben wir das in einem kleinen Ausschnitt einfach so erlebt.
Nach einer furchtbaren Nacht in einem extrem hellhörigen Guest House ging es zu dem Ziel unserer Reise: in das Hauptquartier von Annie Sloan, der Erfinderin der Chalk Paints. Am zweiten Tag klappte das Autofahren schon wesentlich besser, wahrscheinlich, weil ich nur von rechtseitig angeschrammten Blech- und Menschenteilen geträumt hatte. Der Abstand passte und ich bin souverän in alle Kreisel links eingebogen ohne Dauerhupen zu hören. (Oder hatte ich noch meine Orpoax drin, die ich brauchte um die Hausgeräusche zu ignorieren???)
Auf jeden Fall sind wir sicher angekommen und sind in ein fantastisches Haus der Farben eingetaucht. Alles bunt, aber nicht laut. Und die Erfahrung, das jemand (genau wie ich) Farben zelebriert, liebt und zu jeder von Ihnen eine Geschichte erzählen kann. And she herself, Annie Sloan, the Color Queen. Mit einem strahlendem Lächeln, barfuß und mit den Fingern in ihren Farbtöpfchen (ist ja viel einfacher als immer wieder Pinsel auszuwaschen) war sie so integer sympatisch und hat uns alle Seminarteilnehmer in ihren Farb-Bann gezogen.
Im ersten Tag ging es um das farbliche Gestalten von Stühlen (ich liebe es!) aber auch um die Technik des Polsterns, was ich noch nicht konnte. Daher war der Tag absolut interessant und wir haben die wirklich wunderschönen Leinenstoffe aus ihrer neuer Kollektion als Stuhlpolster verarbeiten können. Also demnächst bei uns: workshop über Stuhl anmalen und neu polstern! Und wir werden diese herrlichen Stoffe bei uns mit anbieten.
Am zweiten Tag ging es dann an die Farben, die verschiedenen Möglichkeiten des Auftragens, des Abschleifens und des Versiegelns mit eingefärbten Wachsen oder Lacken.
Nichts, was ich noch nicht gemacht hätte, aber darum ging es gar nicht. Der Geist in diesem Atelier ist einfach inspirierend, großartig, liebevoll, farbenfroh, innovativ, kreativ und dadurch auch manchmal ein bisschen (sympathisch) chaotisch, weil einfach nicht immer alles perfekt sein muss und dadurch viel Freiraum für „ich probier einfach mal was da raus kommt“ bleibt, was oft die besten Ergebnisse bringt.
Oh my god, was habe ich alles geschrieben, während mein Mann ein langweiliges Fußballspiel gegen Polen schaut. (Danke, euch 22, dass es nicht so richtig fluppt, sonst wäre ich nicht so weit gekommen und hätte wohl auch mal besser hin geschaut). Das ist sicher mein längster Beitrag, den ich je geschrieben habe und ich nehme es keinem übel, der sich das nicht alles durchlesen möchte. Aber nach diesen drei aufregenden Tagen musste ich das einfach mal los werden.
Vollgestopft mit vielen Inspirationen und Ideen freue ich mich immer wieder, dass ich diesen wunderbar vielfältigen Beruf gewählt habe und bin gespannt auf alle neuen Herausforderungen.
Und hier noch ein paar Eindrücke von Oxford:
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